Nicolas Manthos, ein seit der Schulung sehr guter Fliegerkumpel, ist sofort für das Vorhaben zu begeistern. Um dem erwarteten Ansturm auf Bassano zu entgehen, entscheiden wir uns für den Monte Panarotta in Levico Therme (IT) als Startberg. Die organisatorischen Dinge, wie Mitfahrgelegenheit, Verpflegung, Stromversorgung und grobe Flugplanung sind im Nu geklärt und nach einer etwas kniffligen Packerei geht es dann am späten Nachmittag direkt los. Levico erreichen wir spät in der Nacht.
Der Samstag beginnt mit strahlend blauem Himmel und es ist bitter kalt, stellenweise ist der Boden gefroren, doch die ersten Sonnenstrahlen stecken voller Energie. Wir sind uns recht schnell einig, das wird definitiv ein guter Tag! Gemütlich laufen wir die knappen 1000hm zum unteren Startplatz auf den Mt. Panarotta hoch. Unterwegs spüren wir gut wie immer wieder thermische Lüftchen den Berg hoch streichen und oben angekommen sind auch schon überall die ersten kleinen Cumuli zu sehen und das um 9 Uhr! Zum Starten ist es aber noch zu schwach. Wir gönnen uns ein warmen Cappuccino, das vermutlich letzte warme Getränk des Tages, genießen die Sonne und beobachteten beiläufig die weitere Wetterentwicklung. Es kommen immer mehr Drachen und auch Gleitschirmflieger, die Zahl der Piloten bleibt aber noch sehr überschaubar.
Um 10Uhr starten die ersten und schnell sind einige Piloten schon höher als Startplatzniveau. Ganz entspannt machen wir uns fertig. Die Cumuli sind teilweise schon recht gut gewachsen. Wir starten beide um kurz nach 11 Uhr. Die erste Thermik beamt uns direkt mit 6m/s auf 2500m zur Basis hoch. In den Erwartungen an den Tag bestätigt kann ich mir schnell mein breites Grinsen nicht mehr verkneifen. Mit dem unterstützenden SW Wind fliegen wir los Richtung Feltre.
Die ersten Talsprünge gelingen durch die hohe Basis und dem Wind so halb im Rücken kinderleicht und durch die eindeutige Schneegrenze sind die Abrisskanten klar gezeichnet. Die recht kräftigen Thermiken sind sehr zuverlässig, so dass auch der nicht wirklich landbare Passo Croce d’Aune hinter Feltre kein Problem darstellt. Dort angekommen entscheiden wir uns für ein Weiterflug Richtung Belluno. Das weite Piave Delta und die imposanten Felsformationen auf der Strecke sind ein landschaftlicher Traum und purer Genuss beim Ansehen!
Mit dem weiterhin guten SW Wind im Rücken gleiten wir bis zum östlichen Rand des Piave Tals und gleichzeitig der Regionsgrenze von Venetien. Nach kurzer Absprache beschließen wir mit dem Überflug des 2200m hohen Crep Nudo in die Julischen Alpen einzufliegen.
Die Anspannung ist merklich gestiegen, denn wir fliegen bewusst in ein großes Lee und wissen beide nicht so recht wie kräftig dieses ausgeprägt ist. Nach einem großräumige Sinkgebiet mit erstaunlich wenig Turbulenzen war die Sache aber noch nicht rum, denn wir finden uns in einem mit sehr bizzar geformten Felsstrukturen durchzogenes und zerklüftetes „Niemansland“ wieder.
Der Wind hat zudem aufgefrischt und auf südöstliche Richtung gedreht. Die Thermiken sind dadruch vorallem unten raus sehr zerrissen und anspruchsvoll und nicht weniger verlangt die nahezu unlandbare Landschaft volle Konzentration.
Irgendwie froh aus dem „Niemandsland“ draußen zu sein, aber auch erstaunt von der gewaltigen Landschaft, welche man so wahrscheinlich eher selten zu Gesicht bekommt, fliegen wir weiter Richtung Meduno. Der Soaringhang trägt super, allerdings macht der starke Südwind den Einstieg in die Thermikblasen nicht wirklich leicht. Nach etwas Probieren graben wir ein traumhaft ruhigen aber immer noch recht kräftigen Bart aus der angrenzenden flacheren Hügellandschaft aus und wir druchfliegen die durch den tieferen Sonnenstand und die teilweise recht stark ausgebreiteten Wolken bedingten riesigen Abschattungen weiter Richtung Gemona. Hier wiederholt sich gleiches Spiel. Eine riesige Abschattung zieht vor uns südwärts über das ganze Tal, weshalb wir gezungenermaßen sehr weit draußen zu einer viel größere Talquerung ansetzen müssen. Eine so große Abschattung löst bestimmt am Rand irgendwo eine Thermikblase ab, so die Theorie. Also fliegen wir direkt an der Schattengrenze entlang. Als uns in der Talmitte so langsam die Höhe ausgeht und ich schon gedanklich bei dem vermeintlichen Fußmarsch aus der Talmitte zu einem möglichen Biwakplatz und Startplatz für den Folgetag bin, finden wir doch noch die anfangs recht zähe aber rettende Thermik und gleiten auf die andere Talseite.
Über den perfekt in der Sonne stehenden Bergflanken hinter Gemona katapultiert es uns nochmal bis auf 2000m hoch. Über der Westflanke hat sich dementsprechend eine riesig ausgebreitete Wolke gebildet, welche den weiteren Flugweg Richtung Slovenien und fast die gesamte durchgängige Bergflanke Richtung Kobarid mit einem riesigen schwarzen Schattenloch abdeckt.
Jeder Verstand würde hier sagen, da geht definitiv nichts mehr. Aber da wir sowieso ein netten Biwackplatz etwas ab vom Schuss suchen wollten, kann man es ja mal zu versuchen, eventuell würde ja der Südwind noch ein bisschen was an der SW Flanke hochschieben. Und so kommt es dann auch, die komplette Flanke bis über die Landesgrenze ermöglicht ein Durchfliegen der Abschattung ohne großen Höhenverlust, mehr noch am Ende des Felsgrats gelingt es uns noch die allerletzte Thermik auszukurbeln, von welcher aus wir völlig baff, erschöpft, aber auch voller Zufriedenheit und überglücklich zum letzten Abgleiter ansetzen und nach einem genialen 7h33min langen Teamflug auf einer kleinen Anhöhe direkt an unserem Biwakplatz landen.
Die Sonne steht schon tief. In den letzten Sonnenstrahlen bauen wir schnell das Zelt auf und verkriechen uns als dann komplett alles abschattet in unsere Schlafsäcke. Wir quasseln noch etwas über das Erlebt, wissen aber beide nicht so recht wo anfangen. Der Tag hat sehr viele Eindrücke hinterlassen und zugleich ist es für uns beide mit 186km der weiteste One Way Flug bisher.
Der Sonntag beginnt früh. Um 6 Uhr werden wir von lautem Glockenläuten aus dem nicht weitem Dörfchen Libusnje geweckt, aber irgendwie schaut es noch nicht so toll aus. Der Himmel ist nahezu mit 8/8 bedeckt. Es ist sehr kalt, aber weiterschlafen geht nicht mehr. Also machen wir uns Gedanken über das Weiterfliegen. Nico checkt das Wetter, es wird ähnlich wie Samstag mäßiger SW Wind, nur stabiler und die Basis ist niedriger. Ich schaue derweil nach einem geeigneten Startberg und tüftle eine nette Route dorthin aus. Ich werde schnell fündig, der Krn solls werden. 10km Marsch mit ca 1500hm, doch ganz ordentlich. In der Zwischenzeit reißt es auf und in weniger als 30 Minuten ist es strahlend blau. Wir packen schnell zusammen, essen ein Frühstückscorny und laufen los.
Auf dem Weg zum Krn diskutieren wir über den Weiterflug. Ab Montag ist schlechtes Wetter angekündigt, kurz überlegen wir der Störung weiter Richtung Osten zu entfliegen, durch Slovenien, vielleicht noch nach Kroatien, mangels Karten- und Luftraumaterial verfliegt das Vorhaben schnell. Dann hat Nico DIE Idee, wir fliegen Richtung Greifenburg, das Drautal ab da Richtung Lienz ist wieder eine schöne Rennstrecke und wer weiß vielleicht schaffen wir es ja bis zum Hauptkamm. Von da sollte sich die Heimreise auch relativ einfach gestalten. Nur wie kommen wir nach Greifenburg. Der Blick auf die Karte zeigt viele kleine und auch enge Täler, wenig Straßen, Ortschaften gibt es auch nicht so viele und es müssen einige Bergflanken überflogen werden... nicht gerade die Standardroute, aber die Herausforderung gefällt uns.
In der Ortschaft Krn angekommen, ein nettes Örtchen unterhalb des gleichnamigen Berges, bestaunen wir die massiven Felswände der Nachbarberge.
Da auch schon wieder die ersten Thermiken durch Cumuli gezeichnet sind, vergeuden wir aber keine Zeit und laufen bis zum steilen Sattel unter dem Krn und treten unseren 2. Flug an.
Die Thermik ist wieder schon sehr zuverlässig. Die Basis ist schnell erreicht. Wir nehmen uns den Spaß und fliegen 2-3 mal an der Hütte unterhalb des Krns vorbei, zu welcher zahlreiche Wanderer aufgestiegen sind, ehe wir Richtung NW losfliegen.
Die Anfangs schön durchgängigen Bergflanken laufen aber schnell aus und wir fliegen an massiven Felswänden vorbei und müssen die ersten großen Bergrücken queren.
Weiter geht es durch dünn besiedelte und im ersten Blick nur mit Flüssen durchzogene Täler.
Doch weit am Horizont sind schon die Gailtaler Alpen und dahinter das Drautal in Sichtweite. Unser Zwischenziel rückt immer näher. Das Fliegen wird entspannter, denn die erste Herausforderung ist gemeistert. Es dauert nicht sehr lange und wir sind vor dem ersten großen Talsprung über das Gailtal. Ich nutze die lange Querung um meine Hände zu wärmen, merke aber dabei erst zu spät, dass ich zu stark vom Kurs abkomme und unnötigerweise sehr viel Höhe vergeude. Der Anschluss auf der anderen Talseite gelingt nach langem Kampf in einem starken Talwind aber dennoch.
Um nicht nochmal in so eine verzwickte Situation zu gelangen kurbeln wir die nächste Thermik bis zur Basis aus und queren direkt weiter über das Drautal. Geschafft! Wir sind bei Greifenburg. Doch der Tag ist noch nicht zuende. Wir beschließen mit dem starken südöstlichen Talwind weiter Richtung Lienz nach Osttirol zu fliegen.
Fasziniert gleiten wir über die eindrucksvolle Winterlandschaft der immer höher werdenden Bergemassive und der Hauptkamm rückt Stück für Stück näher. Doch gleichzeitig wird der Talwind immer stärker und hochreichender. Die Thermiken sind sehr zerissen uns es ist schwierig Höhe zu machen. Kurz überlegen wir den Hauptkamm soarend zu queren, doch die enormen Geschwindigkeit mit welcher die Wolken auf die Nordseite geschoben werden schreckt uns ab. Wir entscheiden uns daher für die sichere Variante und landen am Felbertauern Tunnel hinter dem Großglockner ein.
Wieder geht ein unglaublicher Flugtag zu Ende. Beim besten Willen hätten wir uns so ein grandiose Fortsetzung nicht vorstellen können. In über 6h Flugzeit haben wir wieder fast 140km Luftlinie im nahezu im Syncronflug zurückgelegt und sind punktgenau an der selben Stelle gelandet. Um die Eindrücke setzen und den Tag entspannt ausklingen zu lassen beschließen wir nochmal eine Nacht zu biwakieren, ehe wir uns dann am Montag um die Heimreise kümmern würden.
PS: Eins ist sicher, das nächste Gleitschirmbiwackabenteuer wird defintiv kommen ;)